Ohne Wunder kein Christentum

#1 von Traudel , 25.07.2015 09:19

Ohne Wunder kein Christentum

Impuls zum 17. Sonntag im Jahreskreis B, 26.7.15
Von Msgr. Dr. Peter von Steinitz
Münster, 24. Juli 2015 (ZENIT.org)

Das heutige Evangelium berichtet von einer der wunderbaren Brotvermehrungen, die Jesus gewirkt hat, und wie so oft ist es das Mitleid mit den Menschen, das ihn dazu bewegt.

Auch eine noch so rationalistische Exegese kann aus diesem Ereignis das Wunderbare – um ein altertümliches Wort zu gebrauchen: das Mirakel – nicht hinweg interpretieren, denn wenn mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen eine „große Menschenmenge“ (bei der anderen Brotvermehrung ist von fünftausend Männern die Rede) gesättigt wird, so ist das ein kapitales Wunder. Wenn manche moderne Exegeten das Wort „Brotspende“ verwenden, so kann das eigentlich nur vom Wundercharakter ablenken, ohne den Versuch zu machen, es zu erklären.

In dem von Johannes aufgezeichneten Evangelium wird gar nicht erwähnt, was der Inhalt dessen war, was der Herr dort die vielen Menschen gelehrt hat. Offensichtlich ist auch der Evangelist in erster Linie daran interessiert, von dem wunderbaren und außerordentlichen Ereignis zu berichten, einschließlich der zwölf Körbe, in denen die übrig gebliebenen Brotreste aufbewahrt wurden.

Trotz langjähriger Bemühung zahlreicher Theologen ist es immer noch nicht gelungen, dem Volk den Wunderglauben auszutreiben. Seien wir doch ehrlich: wenn das Christentum alle in der Heiligen Schrift beschriebenen und im Laufe der Kirchengeschichte vorgekommenen Wunder eliminieren, d.h. „natürlich“ erklären wollte, so bliebe vom christlichen Glauben nicht viel mehr übrig als eine wohlwollende Sozialethik, die dann aber im Ernstfall auch nicht mehr die Kraft hat, dem Druck des Zeitgeistes zu widerstehen.

Verweilen wir einen Augenblick beim Phänomen des Wunders und stellen wir fest, dass der wirklich gläubige Christ genügend inneres Stehvermögen besitzen muss, um die Kritik und oft den Spott der „vernünftigen“ Leute zu ertragen, die ja in ihrer Art auch sehr gläubig sind. Sie glauben nämlich fest daran, dass „nicht sein kann, was nicht sein darf“.

Auch beim Wunder gibt es so etwas wie eine Hierarchie der Werte. Wir beobachten täglich, dass die Schöpfung Gottes voller Wunder ist, die wir ohne besondere Dankbarkeit einfach so hinnehmen. Ein Beispiel aus der Physik: es ist deutlich, dass der Schöpfer unseren Planeten in vielfacher Weise so ausgestattet hat, dass wir gut darauf leben können. Da gibt es unter vielen anderen Details die sogenannte Anomalie des Wassers, die auch unter die Kategorie alltägliche Wunder fallen kann. Das Wasser hat, im Gegensatz zu anderen Flüssigkeiten, die „wunderbare“ Eigenschaft, dass es im gefrorenen Zustand leichter ist als im flüssigen. Wäre das nicht so, würde die Erde mit ihrem vielen Wasser zu einem Eisplaneten.

Abgesehen von diesen kaum beachteten Wundern physikalischer Art, erkennen wir im übernatürlichen Bereich schon eine höhere Stufe des Wunders, wie die soeben beschriebene wunderbare Brotvermehrung. Jesus möchte nicht, dass die vielen Leute auf dem Heimweg zusammenbrechen und gibt ihnen zu essen. Das ist natürlich keine definitive Lösung, die Menschen werden wieder Hunger haben. Auch die vielen Krankenheilungen haben nicht die Krankheit als solche überwunden, die mehrfach vorgekommenen Totenerweckungen haben nicht das Problem des Todes gelöst. Der Jüngling von Naim und Lazarus und die anderen sind später doch auch gestorben. Im Augenblick jedoch waren diese Wunder sinnvoll.
Eine weitaus höhere Kategorie finden wir in den Wundern, die mit dem ewigen Leben des Menschen zu tun haben. Unerklärliche Bekehrungen, plötzliche durch den Geist Gottes gewirkte Erkenntnisse usw.

Zu dieser Gruppe von Wundern gehören sicher auch die zahlreichen Marienerscheinungen, die immer wieder nur diesen Zweck verfolgen, die Menschen auf die Notwendigkeit hinzuweisen, ihr Heil zu wirken. Immer wieder spricht die Muttergottes von Umkehr und Buße. Tragisch ist dabei, dass die Verantwortlichen in der Kirche, in dem Bemühen, das Geschehene korrekt zu deuten, über das Ziel hinausschießen und so manche Marienerscheinung unterdrückt haben. Es gehört auch zur Schlüsselgewalt der Kirche, dass himmlische Erscheinungen sich zurückziehen, wenn die Kirche Nein sagt.

Im Zusammenhang mit dem Fest des hl. Apostels Jakobus, das heuer den siebzehnten Sonntag einleitet, denken viele, besonders die Spanier an die Marienerscheinung, die am 2. Januar des Jahres 40 in Caesaraugusta sich ereignete, als die Muttergottes, die damals noch lebte, dem Apostel Jakobus erschien, der völlig demoralisiert am Ufer des Ebro saß und darüber weinte, dass die Iberer den ihm verkündeten christlichen Glauben partout nicht annehmen wollten. Maria – damals, wie immer, Königin der Apostel – wurde vor ihm sichtbar und sprach ihm Mut zu und versicherte ihn ihrer Hilfe. Als Zeichen ließ sie den kleinen Pfeiler, auf dem sie stand, zurück. Der wird noch heute in der Kathedrale von Zaragoza (so heißt diese Stadt heute) verehrt: La Virgen del Pilar.

Das größte aller Wunder, und zugleich das am häufigsten vorkommende, ist jedoch die hl. Eucharistie. Dass Brot und Wein sich in den Leib und das Blut Christi wandeln, also dass etwas normal Materielles zu Gott wird, das ist nicht mehr zu überbieten.
Bleibt nur die Frage: verhalten wir uns entsprechend?

Msgr. Dr. Peter von Steinitz, war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo - Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

 
Traudel
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